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9. Selbst-Transzendenz 6-h Lauf Nürnberg
12. März 2005

Na klasse! Nicht genug, dass ich den Winter und die Kälte schon seit vier Wochen über habe, in der Nacht auf Samstag entleert sich mit einem Gewitter auch noch eine Schneewolke über Nürnberg. Neuschnee am 12. März!

Ich hab ABSOLUT keine Lust mehr, auf Schnee zu laufen! Eigentlich sollte man im Bett bleiben....

Oder doch einen Einkaufsbummel in der Innenstadt machen, was Gabi und ich am Freitagabend viel verlockender fanden als den beißenden Wind an der Wöhrder Wiese?

Die stark 1,5 km lange Runde um die Wöhrder Wiese, an der Pegnitz direkt östlich der Nürnberger Altstadt gelegen, ist der Austragungsort des Nürnberger 6-Stunden Laufes. Veranstalter ist das Sri Chinmoy Marathon Team, kurz SCMT, und die Frage, ob man überhaupt an einem von einer Sekte veranstalteten Lauf teilnehmen soll, war im Vorfeld die eine oder andere email wert. Die Versicherungen erfahrener Teilnehmer, es werde nicht missioniert und die SCMT-Veranstaltungen seien immer sehr liebevoll und professionell organisiert, gaben dann den Ausschlag. Und dazu die Aussicht, in kurzen Hosen und im T-Shirt ausgiebig den Lauffrühling einzuläuten, war auch wunderbar.

Von wegen Lauffrühling! Stattdessen Neuschnee, weiterer Schneefall, lange Tights, Jacken, Kappen, Handschuhe... brrrrr. Obendrein hab ich auch noch meine Laufsocken vergessen! Ein Wink des Schicksals, doch lieber noch eine Stunde zu schlafen? Da ich die Empfehlung, bei einem Wettkampf bloß nichts Neues zu probieren schon öfters in den Wind geschlagen habe, zieht das aber nicht. Nein, ich nehme es als Wink, doch mal zu testen, ob sich nicht auch schurwollene Socken bei dieser Witterung gut eignen.

Und so  gehe ich dann doch nicht einkaufen und Gabi auch nicht, sondern wir holen brav unsere Startnummern ab. Wenigstens hat sich der Wind gelegt und die vielen bekannten Gesichter im Startbereich muntern auf. Andere bekannte Gesichter fehlen. Wo sind die Schwaikheimer und René?

Vor dem Start

Sollen wir wirklich? Vor dem Start mit Gabi.

Wir machen uns mit unseren Rundenzählern bekannt, die dick vermummt unter einem Dach sitzen. Gabi findet, die Aussicht bei dem Wetter 6 Stunden lang zu zählen, das sei ja noch grausiger als zu laufen. Mit 10 Minuten Verspätung, das Auto mit der Digitaluhr blieb im Neuschnee stecken, geht es dann los.

Ich laufe erst mal mit Gabi und Gerda los, einer Einheimischen, die allerhand über die Stadtgeschichte und die Läufer an der Wöhrder Wiese weiß. Die ersten paar Runden sind schnell vorbei, ein bisschen orientieren, die aufgestellten Tafeln mit aufmunternden Sprüchen des Gurus lesen

„Es gibt nur drei Gewinner:
Denjenigen, der sich selbst herausfordert,
denjenigen, der als Erster die Ziellinie überquert,
und denjenigen, der das Rennen zu Ende läuft.”

und den Verpflegungsposten am  anderen Ende der Wiese inspizieren. Dazu müssen wir anfangs am Zählertisch gut aufpassen, dass unser jeweiliger Zähler uns auch registriert.

Wir hingegen registrieren einen Baum, der offensichtlich in der Nacht vom Blitz getroffen wurde. Und nach 40 Minuten erscheinen die Schwaikheimer, zwar ohne René aber eine gute Ausrede haben sie trotzdem: Stau auf der A6. Auch andere Läufer scheinen verkehrsbedingt verspätet zu starten, es war eine ganz hervorragende Idee, schon am Freitag nach Nürnberg zu fahren.

Zwei Stunden, 11 Runden, Gerda setzt sich ein wenig nach vorne ab. Gabi und ich laufen weiterhin gemeinsam, die Runde in ca. 10 Minuten wenn wir uns nicht an der Verpflegungsstelle bedienen. Dort locken Marmelade- und Käsebrote, Kekse, Obst, Cräcker und Schokolade. Dazu Tee und Saft, Malzbier, Cola und Brühe und das verlängert die Rundenzeit dann immer auf 10:30.

Die Nürnberger Feuerwehr erscheint mit einer Drehleiter und fängt an, den Weg abzusperren. Oh, die wollen offensichtlich den vom Blitz getroffenen Baum fällen oder zumindest Teile absägen! Wir Läufer müssen zu unserem eigenen Schutz ein Stück über die Wiese ausweichen.

Drei Stunden, Halbzeit. Wir gehen eine halbe Runde und erzählen nebenher einem einheimischen Läufer, der hier einfach nur trainiert, was das denn für eine Veranstaltung ist. Ja, genau, sechs Stunden lang im Kreis. :-)

Gabi war wochenlang krank und hat ordentlich Trainingsrückstand, sie findet es so langsam hart. Ich hingegen fühle mich immer besser. Den langen Läufen mit Renate und Wolfgang sei's gedankt.  Die Unlust ist weg und als Gabi zurückfällt, ziehe ich das Tempo an.

Die vierte Stunde geht schnell vorbei, ob die fünfte Stunde auch so leicht wird? Oder droht der übliche zwei Drittel Blues? Bis Marathon sind es noch etliche Runden. Ich spüre mein linkes Knie und rechts ziept etwas die Achillessehne. Immerhin, die Socken scheinen keinen Ärger zu bereiten. Auf der Strecke ist es merkwürdig ruhig geworden. Ich werde kaum noch überrundet. Haben so viele vorzeitig aufgehört? Laufen wir inzwischen etwa alle das gleiche Tempo?

5 Stunden

5 Stunden. Der Rest ist ein Klacks.

Hurra, letzte Stunde. Die geht erfahrungsgemäß schnell rum. Jetzt genehmige ich mir Cola. Und ich komme endlich auf die Idee, UltraSports neuen "Gel-Chip" zu testen. Hm, sieht aus wie ein Marshmellow, schmeckt wie ein Marshmellow, wirkt nicht merklich. Vielleicht ist es auch ein schlechter Moment für einen Test, mit all der Cola im Magen?

Und dann kommt die 50er Marke in Sicht und wie ich nach der 32. Runde das rote Fähnchen mit der „50“ kriege, fange ich an zu rechnen. Zwei weitere Runden müssten bei dem Tempo doch noch drin sein. 

"Wiedereinsteiger" wie Ryan tauchen auf. Er hat sich zwei Stunden Pause gegönnt, geduscht und macht jetzt "in zivil" noch ein paar Kilometer.

Nach knapp sechs Stunden ist die Feuerwehr mit ihren Baumpflegearbeiten fertig und ich habe meine zwei "mehr als 50 km" Runden geschafft. Ich schnappe meinen Markierungsstab und dann renne ich die letzten Minuten so schnell ich noch kann.

Um die Restmeter auszumessen muss man in Nürnberg nicht herumstehen und auf das Messteam warten, man kriegt in der letzten Runde einen Stab mit seiner Nummer, den man dann beim Schlussignal ablegt. Bei dem Wetter ein Segen!

53,540 km sind es am Ende doch geworden. Dass ich nach dem im Startgeld eingeschlossenen anschließenden Nudelessen noch mit einem Pokal nach Hause gehe, hätte ich heute Morgen nicht zu träumen gewagt. Und dass ich meine Unlust überwunden und meine Erwartungen übertroffen habe, ist sicher ganz im Sinne von Sri Chinmoy. ;-)

Den Vogel aber schießen die Schwaikheimer ab: Trotz der Verspätung gewinnt Elke souverän die Frauenwertung.
 
  © 2005 · Ute Pfaff · Emailemail senden