HOME
home · 2005 · Rodgau

Ein 50er ist (k)ein Marathon

6. Rodgau 50 km Ultramarathon
29. Januar 2005

"Wie geht man denn sowas an?" fragt mich Sabine Herzog am Start. Sabine ist eine Freundin meiner Frankfurter Freundin Gabi und sie ist bislang nie mehr als 42,195 km gelaufen. Eigentlich wollte sie heute nur ganz legal, also mit Startnummer, ihren Freund Stephan ein bisschen begleiten. Aber dann hat Stephan Rückenprobleme gekriegt und auf den Start verzichtet und Sabine will jetzt einfach mal sehen, was sie hinbringt.

Ich sag zu ihr, das sei auch nicht anders als Marathon, die 8 km mehr würden es nicht wirklich rausreißen.

Aber so ganz stimmt das nicht. Denn schon letztes Jahr hab ich versucht, den Rodgauer 50er als 10er zu behandeln. 50 km, was für ein grausige Zahl! 10, zehn Runden à 5 km, das klingt doch viel handlicher, vertrauter. Also rechne man mit einer kleineren Krise bei 3, einer größeren bei 7-8 und Endspurt für die 10.

S**kalt ist es in Rodgau. Morgens hatte es 9° unter Null, zum Start um 10 Uhr sind es immer noch ein paar Grad minus, wenigstens ist es windstill und sonnig. Die Strecke führt über Wald- und Feldwege, die asphaltierten Teile wurden gesalzen und sind erst mal schneematschig, im Wald dagegen findet sich ungesalzener Schneematsch. Ich laufe mit Sabine los und wir überlegen, wie sich dieser Schnee wohl im Laufe der Zeit verändern wird.

Rodgau 1

Schon nach drei Runden treiben mich Gabis Kaffee und der warme süße Tee der Verpflegungsstelle in den Wald. Damit ist Sabine erst mal weg.

Aber die Rundenlauferei ist auch ohne Begleitung gesellig, ich werde immer wieder von Bekannten überrundet. Von Unbekannten natürlich auch. Wenn man weiß, was jemand laufen will, ist es ganz kurzweilig, auszurechnen, wann der oder die vorbeikommen müsste. Und nett, wenn es dann an der richtigen Stelle "huhu" tönt.

Die Rodgauer haben mit ihrer Veranstaltung gezielt eine Lücke im sonst oft dicht gepackten Laufkalender gesucht und gefunden. Und so ist der 50er für die nicht ganz so große Ultragemeinde Saisonauftakt und Familienfest, entsprechend freundschaftlich ist die Stimmung. Man kennt sich. Persönlich. Vom Rennsteig, aus Köln, aus Biel, vom Spreelauf. Oder auch nur dem Namen nach, aus Ergebnislisten, oder aus dem Internet.

5 Runden, Bergfest. Fühlt sich gut an alles, nur die Oberschenkel spüre ich ein wenig, OK, das darf sein. 2h35 min. sind vergangen, die Zeit vom letzten Jahr zu unterbieten wird wohl schwierig, aber weit weg bin ich nicht.

Die Wege werden immer besser. Auf den asphaltierten Teilen hat die Sonne so langsam den Schnee in Wasser verwandelt. Aber auch im Wald läuft es sich nicht schlechter als heute Morgen.

Rodgau 2

Die sechste Runde hat es in sich. Ich spüre deutlich, wie ich ab ca. km 28 mehr Luft brauche, die altbekannte Schnauferei geht los. Wie war das, Fettverbrennung braucht mehr Sauerstoff als Glykogenverbrennung? Merkt man! Aber im Gegensatz zum echten 10er, wo man dauernd verzweifelt nach Luft schnappt, regelt sich das hier alles ein. Und auch hier gibt es Unterschiede zum Marathon, die Stoffwechselumstellung ist, dem langsameren Tempo sei Dank, wesentlich sanfter.

So fühle ich mich nach der siebten Runde wieder richtig gut. Dafür spüre ich meine Zehen auf merkwürdig unbekannte Art. Blase? Ich hab relativ neue Schuhe, ein Modell, das ich noch nie zuvor für Langstrecken hatte. Ich beschließe, das ignoriere ich, wird man später sehen, was da los ist.

In der achten Runde blende ich die Umgebung aus. Ich schaue nur noch auf den Weg, fast ist es, als rolle der unter mir weg statt das ich über ihn laufe. Erst am Ende "wache ich wieder auf", ich treffe Michael und Jochen, die sich nach vollbrachter Tat ein wenig auslaufen. Sowas ist immer eine nette Abwechslung.

Die neunten Runde ist zäh. Ich spüre plötzlich die Oberschenkel überdeutlich. Da tröstet mich nicht, dass ich endlich mal Augenzeuge werde, wie einer der Bäume fällt, die die Waldarbeiter am Wegesrand schon den ganzen Tag bearbeiten. Jetzt wird es auf der Strecke auch leer. Viele sind im Ziel, viele haben den Lauf vorzeitig beendet. Von 439 Starter haben immerhin 111 geplant oder ungeplant die 50 km nicht voll gemacht.

Letzte Runde. Wie war das mit dem Endspurt? Ich gönne mir an der Verpflegungsstelle einen Becher Cola. Ich weiß ja nicht, wie schnell das wirklich wirkt, der Effekt ist jedenfalls enorm. Als ob man einen Käfer mit Kerosin tankt. Instant Porsche!

Mindestens 10 Leute sammle ich dabei noch ein. Ja, so macht das wirklich Spaß! Nach stark 5h13 bin ich im Ziel. Sabine kommt kurz nach mir, ich hab auch sie in der letzten Runde noch überholt. Sie freut sich riesig über ihre eher unverhoffte Ultrapremiere. Und ich freue mich auch. Daran tun auch die zwei großen Blasen, die ich beim Socken ausziehen entdecke, keine Abbruch.

Fotos: Ronald Vetter für laufreport.de
 
  © 2005 · Ute Pfaff · Emailemail senden