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4. Spreelauf

6 Etappen / 408 km
31. Aug. – 5. Sept. 2004

Mitten in der Nacht klingelt ein Wecker. Hat da so ein Penner etwa 3 Uhr früh eingestellt? Kurz drauf werde ich wieder wach, das Parkett knarzt, eine Tür klappert. 4 Uhr, andauerndes Knistern und Rascheln weckt auch den hartnäckigsten Schläfer. 4 Uhr 30, jetzt knipst auch noch einer das Licht an!!! Na guuut, dann also raus aus dem Schlafsack, um 5 Uhr heißt es eh "Leute, das Frühstück ist fertig!"

Ein Alptraum? Aber nein, ein ganz normaler Tagesbeginn beim Spreelauf! :-)

Der Spreelauf, das sind eine Mischung aus Wettkampf, Pfadfinderromantik und Feldlazarett. 6 Etappen entlang der Spree, von der Mündung in Berlin-Spandau an die Quelle auf dem Kottmar bei Eibau in der Oberlausitz, dem südöstlichsten Zipfel der Republik. Täglich gilt es zwischen 50,5 und 81,8 km zurückzulegen, durch Stadt und Kiefernwald, entlang Seen und ehemaligen Braunkohletagebaugebieten, durch Heidelandschaften und liebliche Hügel, immer an der Spree, Tag für Tag, sechs Tage lang, schlappe 408 km sind’s am Ende.

Unglaublich, 34 Männer und Frauen trauen sich das zu und sie werden dabei nach Kräften unterstützt und versorgt von beinahe ebensovielen Helfern, die frühmorgens voraus radeln und die Strecke markieren, die sie an täglich 5 bis 8 Versorgungspunkten füttern und tränken, die für ebendiese Verpflegungsstände einkaufen und auch Leergut entsorgen und Müll verklappen, die als Sani bereit stehen, Gepäck verladen und transportieren, die Zeit nehmen und die website www.spreelauf.com aktuell halten. Und über allem schwebt Ingo. Ingo Schulze, Organisator, Einpeitscher, Lichtanknipser ;-), der spiritus rector des Spreelaufs.

Ich habe mir aus diesem Kuchen die Rosinen rausgepickt, bin die erste Etappe quer durch Berlin und die letzte von Bautzen bis Eibau mitgelaufen und habe die Tage zwischendurch Sigi Bullig am Versorgungspunkt 4 assistiert. Und mir so den Spreelauf von innen und aussen angeguckt, bin gut gelaufen, habe die netten Leute genossen und die freundliche kameradschaftliche Stimmung und eine schöne Zeit gehabt und dabei Städte und Landschaften kennen gelernt, in die ich sonst so schnell nicht gekommen wäre. Allein schon das wunderschöne Bautzen ist eine Reise für sich wert!

Meist waren wir vom VP 4 schon vor 13 Uhr am Ziel und konnten den Einlauf der Helden begucken. Bis die Letzten vor Ort waren, wurde es bei den langen Etappen dann aber auch schon mal halb sieben. Ab dem 3. Tag war’s dann übrigens immer René Strosny, unser sächsischer Bernhäuser, der als erster in den Schulhof oder vor der Turnhalle des Tages einbog.

Ja, Turnhalle. Denn in solchen wurde übernachtet, 50 Nasen, Matte an Matte, der Standard von Hallen und Duschen wechselte stark, doch meistens war’s sehr ordentlich.

Zumindest bis wir kamen. Dann füllt sich die Halle in kürzester Zeit mit Matten, Schlafsäcken und Gepäck, Fussballtore wurden mit feuchten Socken und Shirts garniert, Handtücher und frisch gewaschene Funktionstextilien hingen zum trocknen rum und überall Schuhe, Schuhe, Schuhe. Nur Camping ist schlimmer! ;-) Als besondere Attraktion wurden abends die im Laufe des Tages eingegangenen emails ausgedruckt und aufgehängt. Feldpost! :-)

Am Gaskocher musste aber nicht gekocht werden, der Spreelauf ist beinahe ein all-inclusive äh Urlaub, das Essen wurde von örtlichen Helfern zubereitet. Die Menge reichte immer aus, die Qualität schwankte etwas, aber der schon legendäre Ruf des Etappenziels Lübbenau ist voll und ganz gerechtfertigt.

Zusätzlich zogen wir nachmittags in kleineren Grüppchen los, wiederauffüllen der Kohlenhydratspeicher war angesagt. René kennt wohl jede Eisdiele zwischen Spandau und Eibau. ;-)

Das mit dem Feldlazarett darf man durchaus auch wörtlich nehmen, der "Club med." hatte täglich mehr Mitglieder. Da wurde gesalbt und geschmiert, gekühlt und massiert und geheimnisvolle Regenerationsgetränke angemixt und getrunken. Manches Quartier war im 1. Stock und die Läufer kamen nach der Etappe kaum die Treppen rauf oder, noch schlimmer, wieder runter. Und doch wurde ich tagtäglich Zeugin von wahren "Wunderheilungen" ;-), die jammervollen Gestalten, die am Vorabend noch vom Nabel bis zum großen Zeh in feuchte Tücher gewickelt waren, schnürten schon vor dem Frühstück die Laufschuhe, schau an, die Lahmen konnten wieder gehen, die Blinden wieder sehen, gierig ging’s ab 6 Uhr los auf die Strecke!

Doch blieben auch ein paar auf der Strecke, Knochenhautreizungen erwiesen sich als der größte "Killer". Allen tat es leid, wenn wieder jemand aufgeben musste, dessen Schienbeine rot und geschwollen waren. So kamen dann leider nur 27 Läuferinnen und Läufer am Sonntagabend zu Fuß am Kottmar an. Als Erster auch auf dieser Etappe René, der bei jedem bisherigen Spreelauf unter den ersten drei landete, aber dieses Jahr das erste mal als verdienter, strahlender Gesamtsieger einlief.

 
  © 2005 · Ute Pfaff · Emailemail senden