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Wendländischer Dreikampf
12.Sept.2004

Nee, nix Triathlon. Der wendländische Dreikampf wird von einem REITverein veranstaltet. Und die Idee, dort teilzunehmen, kam meinem distanzreitenden Schwesterchen Sabine.

Wendland? Wo ist denn DAS? Ach ja, da war doch mal was. Atommüll, Endlager, Lüchow-Dannenberg, Proteste – jaaaaa, genau dort! Am A.. äh Ende der Welt, ehemalige deutsch-deutsche Grenze im Nordosten Niedersachsens.

Der Dreikampf ist ein Wettbewerb für Dreier-Teams. Einer reitet, einer fährt Rad, einer läuft. DA kam ich dann ins Spiel. Und weil meine Schwester sich in den Kopf gesetzt hatte, ein Familienteam aufzustellen, fiel der Radelpart an unseren Vater, der mit seinen grad mal 70 Jahren immer noch für jeden Mist zu haben ist.

Die Strecke ist für alle gleich, je nach Unterlagen sind es 25,5 bis 28 km. Damit’s spaßiger wird, starten alle gleichzeitig. Reiter, Radler, Läufer. Klingt chaotisch? Ist es auch!

Freitagabend beförderte mich die Lufthansa schnell und  unkompliziert nach Bremen, wo meine Schwester Bine und unser support-Team, meine 9jährige Tochter Marlene und ihre gleichaltrige Freundin Naomi, die eine Ferienwoche bei Bine verbringen durften, schon am Flughafen warteten. Kurze Fahrt auf’s platte Land zu einem ehemaligen Bauernhof, den meine Schwester nebst Schwager h.c. und allerlei Getier bewohnt.

Der Samstag ging dann mit Vorbereitungen und  Anreise drauf.

Ach hat’s der Läufer einfach. Sporttasche gepackt und ab zum Wettkampf. Doch kommen Pferde ins Spiel, ist’s nicht mehr so leicht. Kubikmeterweise wurden Ausrüstung und Futter im Landrover meiner Schwester und im Pferdeanhänger verstaut, Väterchens Rad verpackt, hei Leute, hier noch mein bescheidenes Sporttäschle!

Nachmittags ging's nach Wietzetze bei Hitzacker, mit dem Pferdeanhänger (80 km/h max.) eine 3-Stunden-Tour. Beim veranstaltenden Reitverein angekommen war erst mal Pferch-bauen angesagt, damit die Rösser auch bequem unterkommen. Es hat heftig angefangen zu regnen. :-/ Dann reinigen des Hängers und einstreuen von frischem Heu. Damit die Kinder und ich bequem unterkommen. :-) Bine wollte im Freien biwakieren, meine Eltern, die Weicheier ;-) haben ein Hotelzimmer gebucht.

Das Abendessen in der örtlichen Gaststätte war genau so, wie man sich's nach übelstem schwäbischen Vorurteil in Norddeutschland vorstellt. ;-) Samstagabend, doch leider kann nur von der kleinen Karte bestellt werden. Ausserdem, Sauerfleisch und Cottage-Pie ist nicht zu haben. Bleibt also Schweineschnitzel oder ein halbes Hähnchen. Letzteres dauert 40 min., wir haben's trotzdem gewählt und für die hungrigen Kinder Hähnchenschnitzel, die sollten schneller gehen. Die Weinkarte war äh spärlich bestückt, eine mitgebrachte Flasche Wein zu leeren sollte jedoch mit einem Korkengeld von 5.- belegt werden. Also bitte ein Bier!

Nach 20 min. erschien die Köchin. Sie hat nur noch zwei halbe Hühner. Nun denn, also noch Hähnchenbrust dazu. Hat sie überhaupt schon mit der Zubereitung angefangen? Dauert's ab jetzt 40 min.? Die Kinder jammern. Meine Mutter hat noch ein Butterbrot im Auto. Weitere 30 min. später, hurra, es gibt Essen. Für alle gleichzeitig, man hat Anspruch hier. :-) Die Kinder kriegen zu ihren Hähnchenschnitzeln Dosengemüse ("lasst es liegen"), stand da im Hausprospekt nicht was von "Schlemmergästen"? =8-), der gegrillte Broiler dagegen ist lecker. :-)

Ab ins Nachtlager. Die zum Platzen aufgeregten Kinder und ich also im Schlafsack im Hänger, Bine draußen. Nachts regnete es wieder und irgendwann hörte ich die Tür von Bines Karre klappern. Aha, sie hat aufgegeben.

Morgens ist's s**kalt. Skandinavien halt... Ich hab nur kurz-kurz dabei! Eine halbe Stunde vor dem Start ist Vorbesprechung. Im Gegensatz zu den Vorjahren starten Läufer und Reiter getrennt.  Es gab wohl wüste Szenen. Nachdem die Reiterinnen bei der obligatorischen Tierarzt-Voruntersuchung ihre Pferde teilweise schon an der Hand nicht im Griff hatten, bin ich echt erleichtert.

Bine muss mit ihrer "Zweitbesetzung" antreten, Jaima, ihr erfahrenes Distanzpferd lahmt grad im WK nach 20 km. Im Training nicht. Sonderbare Sache. Die "Kleine" war erst auf einem Distanzritt und ist total aufgeregt. Zur Beruhigung und weil Bine und mein Vater noch ein paar Tage im Wendland reiten wollen, ist Jaima aber auch dabei. Bine wird ganz hinten bleiben und die anderen davonpreschen lassen.

9.30 Uhr, es geht los. Die Biker vornedraus, unser Pa ist ca. doppelt so alt wie der Schnitt der Radler, die Läufer hinterher. In der ganzen Schar von 44 Mannschaften sind 1 oder 2 Bikerinnen und vielleicht 5 Läuferinnen. Dafür sind die Reiter zu 95% weiblich.


Das Wendland ist nicht flach. Nix topfebenes Norddeutschland, hier hat die letzte Eiszeit ihre Spuren hinterlassen. Endmöränen heißt das Stichwort. Heißt Hügel und Sand, letzterer stellenweise tiefgründig, erstere mit ner HD von schon mal 60 m. Es ist also teilweise eine rechte Plackerei. Kurz-kurz erweist sich als perfekte Kleidung. Alle paar km gibt's was zu trinken, nach 8 km winken meine Fans , Mutter, Tochter, Freundin. Der neben mir erzählt, das sei sein erster Langer diesen Herbst. Hm, ich hab letzte Woche zwei 50er gemacht. Beeindrucktes Schweigen. :-) Aber ich spüre die zwei Spreelaufetappen und lasse es langsam angehen. An der zweiten Verpflegung bin ich Vorletzte.

Von hinten ruft's "145, 145". Das ist unsere Startnummer. Es ist Bine, die locker herantrabt. Ach was, so langsam ist sie los?! Zwei andere Reiterinnen pendeln um mich rum, mal vor mir, mal hinter mir. An einem Anstieg steht ein Biker. "Rad kaputt?" fragt der neben mir. "Nee, ich, Kreislauf!" schallt es zurück.  Er ist käsebleich.

Die Läufer vor mir beginnen etwas zu schwächeln und so nach und nach überhole ich noch vier. Km sind natürlich nicht ausgezeichnet, ich habe mir zwar die Karte angeschaut aber ganz genau weiß ich nicht, wo wir sind.

Am zweiten Vet-check (die Rösser müssen zweimal beweisen, dass sie fit sind, erst mit Puls 64 geht's für Pferd und Reiter weiter) steht Egbert, ein Reiterfreund meiner Schwester. "Km 20!" aha. Irgendwie schleppe ich mich mit bleischweren Beinen weiter. Obwohl die zwei Läufer vor mir sichtlich nicht mehr können, krieg ich sie nicht mehr. Endlich sind wir aus dem Wald, da sieht man schon die Dächer von Wietzetze. Noch über eine Weide, hurra, das Ziel!

2:36 oder so, ich hab die Uhr nicht sauber gestoppt. Mein Vater ist schon seit einer Stunde da. Bine ist auch da und total glücklich. Mit exakt 64 ist ihr Pferdchen durch die Checks und sie durften gleich weiter, 20 min. nach dem Zieleinlauf hatte es schon wieder einen Puls von nur 36, super Sache.

Duschen gibt's natürlich keine. :-/ Ich staube mich im Hänger ab und dann heißt es auch schon Abschied nehmen. Die Kinder haben am Montag ersten Schultag, da sollten wir den frühen Abendflieger ab Bremen nicht verpassen. Hinterher erfahre ich, wir sind 29. geworden. Was wir vor allem den hirnlosen Reitern verdanken, denn 11 davon wurden wegen zu hoher Pulswerte ihrer Pferde disqualifiziert! Ein Biker hat wegen nem Platten aufgegeben.

Egal, wir sind zumindest nicht Letzte geworden. :-)
 
  © 2005 · Ute Pfaff · Emailemail senden