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One step beyond

10. 6/12/24h Lauf Schmiden
24./25. Mai 2003

Als ob 42,195 km nicht genug wären...

Aber natürlich ist da nicht Schluss. Im Gegenteil, hier beginnt die unendliche Welt der Ultras. Mein erster Ultra soll ein 6h Lauf sein. Weil ich den Gedanken, dass man das Ziel auf jeden Fall erreicht, bestechend finde. Denn die Uhr läuft weiter, egal was die Läufer machen. Ausserdem werden 6h Läufe auf Rundkursen gelaufen, die Versorgung ist dadurch hervorragend, für Gesellschaft auf der Strecke ist gesorgt.

Schnell ist eine passende Veranstaltung gefunden, in Schmiden findet zum 10. Mal der 24h Lauf statt, dem sich in den letzten Jahren auch ein 12h und ein 6h Lauf dazugesellt haben.

2091 m ist die Runde lang, ich mache mir vorher ausführliche Gedanken zu Strategie und Versorgung. Ich werde von Anfang an Gehpausen einlegen, eine grosszügige am Versorgungsstand und eine kürzere an der Brücke über die Schnellstrasse, hier ist die einzige Steigung der Strecke.

An Versorgung wird vom Veranstalter einiges geboten. Laut Ausschreibung Mineralwasser, Cola, Iso und Brühe dazu Obst und Kekse.

Ich koche morgens trotzdem 1,5 l Früchtetee, süsse grosszügig mit Maltodextrin (90 g/l), statt Salz kommt Natriumbicarbonat rein. Der Früchtetee schäumt kurz auf, die Farbe verwandelt sich in schwarz. Sieht heftig aus! Portionsweise (0,25 l) fülle ich das Gebräu in kleine Plastikflaschen.

Die letzten Tage war es kühl und eher regnerisch, für Samstag aber sind Sonne und 28° vorhergesagt!. Oh Schreck... In der Ausschreibung steht nichts von Schwammwasser, also muss eine Plastikschüssel und meine Schwämme mit. Sonnencreme auf die Schultern und ins Gesicht kann auch nicht schaden.

9 Uhr, Ankunft in Schmiden. Einzelläufer dürfen direkt am Stadion parken, ich hole meine Startnummer und orientiere mich erst mal. Ah, für die Verpflegung der Einzelläufer sind im Stadion Tische aufgebaut, der mitgebrachte Hocker kann im Auto bleiben. Ich treffe Uwe, den ich vor zwei Jahre mal bei einem Lauf kennengelernt habe, er war schon öfters hier und meint, es werden auf jeden Fall Wasserwannen aufgebaut. Egal, ich stelle meine Schüssel trotzdem neben meinen  Korb mit den Teeflaschen.

Im Stadion stehen auch die Zelte für die 12h und 24h Staffeln, von denen etliche teilnehmen und die sich hier mit Angehörigen und Fans häuslich einrichten.

Pünktlich um 10 Uhr geht es los, die Staffelläufer schiessen davon, der Rest folgt eher gemächlich. Nach zwei Eröffnungsrunden im Stadion geht es auf die Strecke, ein Stück auf dem abgesperrten Gehweg an der Strasse entlang, dann Feldwege mit den auch auf den Fildern bestens bekannten Betonplatten. Am Wegesrand wird Spargel gestochen, die Erdbeeren blühen leider erst. Durch Kleingärten über eine Brücke über die Umgehungsstrasse geht es zurück ins Stadion, dort werden 300 m auf der Bahn gelaufen und wieder hinaus.

Die Zeitmessung erfolgt in Schmiden per Transponder. Jeder Läufer  hat ein Armband erhalten, das in jeder Runde über die Messeinrichtung gezogen wird. Dort wachen Helfer darüber, dass auch wirklich jede Runde registriert wird.

Anfangs trinke ich nur Mineralwasser, mache wie geplant dabei eine grosszügige Gehpause. Ständig werde ich überholt, die Staffelläufer rennen teilweise, was das Zeug hält.

Nach der ersten Stunde bin ich auf Platz 10 von 14 6h Einzelläufern.

Ich  steige um auf das angebotene Iso-Getränk. Schmeckt reichlich süss, kommt aus einer Mineralwasserflasche, steht da nicht was von „Diät“ drauf??? Ich frage die Jugendlichen am Versorgungsstand nach dem Kaloriengehalt, oh je, nur 18 kcal/100 ml!

Um meine eigene Verpflegung noch etwas zu schonen, beschliesse, ich, zu essen, solange mir danach ist. Mein Tempo lässt es zu. Für mein Traumziel „55 km“ darf ich für jede Runde 13:41 brauchen, ein Schnitt von starken 6:30. In Anbetracht des Wetters hab ich mich innerlich aber schon von den 55 km verabschiedet.

Der Wetterbericht hatte nicht gelogen, die Sonne brennt herunter. Glücklicherweise weht die meiste Zeit auf den Feldern draussen ein laues Lüftchen.

Das Buffet ist noch viel reichhaltiger als die Ausschreibung ankündigte. Ich nehme erst mal Bananenstücke, die Runde drauf dann TUC-Kekse. Nach Hustenbonbons, Erdnüssen und sauren Gurken ist mir nicht, aber vielleicht diese Runde ein halbes hartgekochtes Ei und ein TUC?

Halbmarathon nach ca. 2:21. Kurz darauf läuft plötzlich meine Uhr nicht mehr. Der Transponder hatte bei einer Runde nicht quittiert, ich wurde zurückgerufen, hab ich dabei die Uhr gestoppt? Aber komisch, sie zeigt 10:00 Uhr. Dabei ist es deutlich nach 12:30. Hmm, ich starte sie wieder. Eine Runde später das gleiche, die Uhr steht, die Uhrzeit ist 10 Uhr. Und angeblich ist „Mon 30“ statt „Sat 24“. Ich stelle fest, das finnische ‚Glump‘ macht von ganz alleine einen kompletten Reset nach dem anderen!! Ich schnalle sie ab und werfe sie in den Korb mit meinen Flaschen. Und nerve mich ein bisschen.

Uwe schliesst zu mir auf. Wir laufen eine Runde zusammen, das lenkt mich herrlich ab. Er klärt mich auf, in welcher Runde ich bin, jetzt werde ich bis Marathon halt mitzählen müssen. Mich ärgert nur die Uhr, Uwe hat massivere Probleme und steigt dann später auch aus. Ich laufe jetzt nach Gefühl weiter.

Nach drei Stunden bin ich auf Platz 7 vorgerückt, aha, da mussten schon welche ihrem Anfangstempo Tribut zollen! Die anderen drei Frauen sind sowieso schon deutlich hinter mir, allerdings, zwei von ihnen walken. Ich mache mich an meine eigene Verpflegung, in der Hitze ist mein Tee wohl nie ganz abgekühlt aber das stört nicht, schmeckt gut. Eine Runde Tee, eine Runde Mineralwasser mit Banane.

Vier Stunden sind rum, ich bin auf Platz 5.

Ich konzentriere mich darauf, meine Runden mitzuzählen, den Punkt jenseits von Marathon will ich doch mitkriegen. Vom Veranstalter kommt kein Hinweis aber ich behalte den Überblick, nach ca. 4:45 beginnt das Neuland.

Schluss jetzt mit der Zählerei,  egal, einfach weiterlaufen. Runde um Runde, so langsam ist das Ende abzusehen. Ich laufe immer noch problemlos, „wie ein Uhrwerk“ sagt der Stadionsprecher, das freut mich. Allerdings bin ich jetzt doch tief am atmen.

„Ist es schon nach drei?“ frage ich die Helfer am Transponder. „Schon fast halb vier!“ kriege ich zur Antwort, oh, nur noch zwei drei Runden! Ich steige um auf Cola und minimiere die Gehpause am Verpflegungsstand auf ein paar Schritte um die Cola runterzustürzen.

„Noch eine Viertelstunde“ sagt der Sprecher an, die nächste Runde wird meine letzte sein. Ich laufe sie komplett durch, einschliesslich der kleinen Steigung. Ein letzter Blick auf den Fernsehturm und auf die Grabkapelle auf dem Rotenberg, schon bin ich wieder im Bereich des Stadions, „noch eine Minute“ wird durchgesagt. Es ist eine verflixt lange Minute, schiesst der Typ endlich? Jaaaa...

Stehenbleiben, durchschnaufen. Ich setze mich auf die Bahn. Die 12 und 24 h Läufer zuckeln weiter „Fertig? Ja? Glückwunsch!“ Von der Begleitmannschaft einer Staffel kriege ich eine Halbliterflasche kühlen Eistee gebracht. Wie nett! Während ich auf den Helfer warte, der meine Position festhält, leere ich diesen Eistee. Aufstehen, ein paar Schritte gehen, ein Bein krampft leicht.

Bis die Ergebnisse feststehen wird es eh noch dauern, ich gehe erst mal duschen. Wie weit bin ich denn nun gekommen? Dann hängt die Liste „Zwischenergebnis 16:00 Uhr“ 53,075 m, ja Wahnsinn, bei dem Wetter! 5. Platz gesamt, Siegerin bei den Frauen. Ich strahle.

Dann fällt mir auf, diese Distanz taucht in den Listen öfters auf, es sind nur die vollen Runden, da fehlt ja noch der Rest. Uiii, weit weg vom Transponder war ich am Schluss nicht, das könnte ja doch noch für 55 langen. Und dann hängt das Endergebnis: 55,024 km.
 
  © 2005 · Ute Pfaff · Emailemail senden