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Denn sie wissen nicht, wo sie sind

Zürich-Marathon
13. April 2003

1. Zürich-Marathon! Meine Schwester Susi ist rechtzeitig von München in die Züricher Umgebung gezogen, klar, da bin ich dabei!
 
Die Anreise am Freitag gestaltet sich etwas zäh. Rund um Stuttgart vermischt sich der Osterreiseverkehr mit der freitagnachmittäglichen rush-hour und zwingt mich auf Umwegen auf die A81. In Zürich dann mischt sich der Osterreiseverkehr mit der freitagabendlichen rush-hour. Merke, der Wohlstand der Schweizer kommt nicht von ungefähr, die schaffen offensichtlich auch freitags bis mindestens 17 Uhr! Mit Abholen der Startunterlagen brauche ich schliesslich stolze 4 Stunden und sieben Minuten, bis ich bei Susi bin. Oh, denke ich, am Sonntag werde ich für meine „Stadtbesichtigung“ noch etwas länger brauchen.

Seit Dezember hab ich meine Wochenkilometer deutlich erhöht. Allerdings, die Früchte, die das trägt, legen die Latte hoch. Aus dem Training heraus laufe ich Anfang des Jahres einen 10er unter 50 Minuten und einen Halbmarathon knapp unter 1:53. Um mich herum erschallen Rufe nach einem Marathon unter 4 Stunden. Meine innere Stimmer jedoch rät zu etwas behutsamerem Tempo. Ich traue mir zu, den Marathon im 6er Schnitt in unter 4:15 durchzulaufen. Ein letzter langer Lauf macht mich sehr sicher, dass ich das kann. Hmm, ein bisschen mehr müsste drin sein, knapp unter 4:10, ein Schnitt von 5:55, das wäre wirklich klasse.

Für etwas Wirbel im Vorfeld sorgte die Tatsache, dass in Zürich nur alle 5 Kilometer markiert sein werden. Prompt träume ich in der Nacht auf Samstag, dass ich mich wegen mangelnder Markierungen verlaufe. Die Nacht auf Sonntag dann ist ‚typisch Marathon’. Zeitig ins Bett, trotzdem erst spät eingeschlafen, nachts mal wach geworden, morgens schon eine halbe Stunde vor dem Wecker wach. Das Frühstück rutscht erstaunlich gut. Ich schaffe tatsächlich zwei Honigbrötchen und begnüge mich mit einem Beutel Trinkfrühstück.

Am Donnerstag lag in Zürich noch Schnee doch am kühlen frühen Sonntagmorgen ahnt man schon, dass die versprochene Wetterbesserung eintreten wird. Bis 20° sind vorhergesagt, gut dass der Start bereits um halb neun ist. Ich packe Handschuhe und Sonnenbrille ein.

Kleiderbeutelabgabe. Sponsor Migros hat 10 Güterwaggons beim Startgelände aufgefahren. Der Zugang zu selbigen ist allerdings sehr eng, die Masse drängt und zwängt sich. Meinen Müllsack brauche ich zum warm halten gar nicht mehr überzuziehen, im Gewühl ist es mir nicht kalt.

Start! Jetzt bloss nicht zu schnell los, die Erfahrung aus München soll mir eine Lehre sein. Die ersten drei Kilometer sind alle markiert, hier kann ich noch kontrollieren und mich in mein Tempo einlaufen. 5:50 ist doch zu schnell für den Anfang, also langsamer. Wir laufen am See entlang Richtung City. Der Zustand der Strassen ist eine Katastrophe. Nicht nur Strassenbahnschienen bieten Stolperfallen, auch der Asphalt ist stellenweise sehr uneben. Beim zweiten Kilometer passt das Tempo, 5:55, noch mal Kontrolle bei km 3. Ich bin ganz zufrieden, das ist gleichmässig, jetzt also noch eine Kontrollmöglichkeit bei km 5 und dann muss das von alleine gehen. 

Die Verpflegung ist sehr gut organisiert, es gibt vorerst mal nur Wasser in 0,33 l Plastikflaschen. Die schnappen sich gut im Vorbeilaufen und es  trinkt sich auch gut daraus. Wir laufen hinaus aus der Stadt, durch die noblen Vororte am Ostufer des Zürichsees. Im Süden ahnt man schon die schneebedeckten Alpengipfel im letzten Dunst, das wird ein schöner Tag heute. Die Sonne scheint schon jetzt warm, doch am See weht ein frisches Lüftchen.

Die Streckenführung enthält viel Begegnungsverkehr, schon nach km 10 kommt uns die Elite entgegen. Hui, was für ein Tempo! Im Örtchen Meilen dann die Wende zurück Richtung Stadt, Hier ist der ‚10 Meilen-Punkt’ markiert und die Strecke führt tatsächlich mitten durch das Festzelt, das die Meilener aufgestellt haben.

Jetzt kommt uns das Feld hinter uns entgegen. Das sind nicht mehr sooo viele. Das Zeitlimit von 5 Stunden nebst Drohung des Chip- und Startnummernentzugs, wenn die Kontrollpunkte Meilen und Opernhaus nicht rechtzeitig durchlaufen werden, hat offensichtlich das Niveau erhöht.

Halbmarathonmarke. 2:04:41. Für unter 4:10 muss ich jetzt eigentlich nur noch in diesem Tempo durchlaufen. Fühlt sich gut und locker an, fühlt sich machbar an. Jetzt geht es auch so langsam mit dem Überholen los. Vereinzelt wird schon gegangen. 

Bei km 25 fühlt sich das Tempo immer noch locker an. Allerdings versäume ich die Zeit zu kontrollieren, achte zu sehr auf den Verpflegungsstand, ein Stück Banane, oh, keine Pappbecher mehr für Iso! Die Helfer wissen sich zu helfen und schneiden aus den grossen Tetrapacks Behelfsbehälter, äh, schwapp. ;-) Bis zur nächsten Kontrollmöglichkeit sind es weitere 5 Kilometer. Egal, bislang vermisse ich die Markierungen nicht. Im Gegenteil, nicht ständig diese Schielerei auf den Streckenrand und auf die Uhr. 

Jetzt geht es wieder richtig in die Stadt hinein, Dufourstrasse, Blick auf’s Opernhaus. Hier stehen viele Leute an der Strecke. Km 30, wieder ein Stück Richtung Süden, mal wieder Gegenverkehr mit den Schnelleren. Um mich herum kaum noch jemand, der mein Tempo läuft. Jetzt heisst es aufpassen, dass ich nicht aus Versehen langsamer werde. Eine Schleife im Park am Zürichhorn, wieder Richtung Stadt. Gaaanz so locker fühlt sich das nun nicht mehr an.

Am Bellevue-Platz stehen die Zuschauer dicht an dicht. Jetzt geht es an der Limmat entlang und hinein ins Herz der Stadt. Km 35, ah das hat sich nicht nur etwas anstrengender angefühlt, ich habe tatsächlich etwas beschleunigt. Mein Puls ist jetzt endgültig über 85%, jetzt atme ich spürbar tiefer. 

Noch 7 km, die wir vor allem durch die Innenstadt geschickt  werden. Dauernd kommen uns welche entgegen, mal Schnellere, oh, da müssen wir auch noch entlang! Mal Langsamere, aha, die hinter uns. Ich verliere völlig die Orientierung Bahnhofstrasse, runter, Bahnhofstrasse rauf, wieder runter an die Limmat, Münsterbrücke, Richtung See, nein, bitte nicht schon wieder Bahnhofstrasse!! Jetzt hätte ich gern Kilometermarkierungen. Ich mache Druck, doch bin ich echt schneller oder fühlt sich das hintenraus einfach anstrengender an? Die Streckenführung schickt uns noch mal zurück bis an die Sihlporte, egal, irgendwie muss man die Kilometer eh hinter sich bringen. Und verflixt warm ist es jetzt, hier ist nichts mit Lüftchen und Schatten hat es auch nicht viel. Kilometer 40 bringt eine angenehme Überraschung. 27:33 für die letzten 5 Kilometer, oh ein Schnitt von 5:30! Das kann ich auf den letzten 2 Kilometern noch halten, ganz sicher. 

Jetzt endlich raus aus der Innenstadt, Mythenquai, es geht Richtung Ziel. Km 41, nicht mehr weit. Es reicht jetzt aber auch! Ich renne, die anderen scheinen zu stehen. Kurz vor dem Ziel steht Susi an der Strecke. Wie schön! Winken, rennen und dann ist’s geschafft. Wow, 4:05:05 hab ich auf der Uhr, ein Schnitt von 5:21 für die letzten 2,195 km.

Im Ziel geht es mit Schweizer Präzision weiter. Alles ist gut abgesperrt, in einem Zelt kriegen wir unsere wohlverdienten Medaillen, die in der Schweiz üblichen Leihchips werden uns abgenommen. Aus einem weiteren Güterwaggon erhält jeder Teilnehmer einen Beutel mit Zielverpflegung. Einziger Wermutstropfen, trotz Vorbestellung gibt’s natürlich kein Finisher-Shirt in ‚S’ mehr.

Im Ziel

 
  © 2005 · Ute Pfaff · Emailemail senden