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home · 2003 · Schwäbische Albmarathon

Selbstversorger oder Der verlorene Sohn

13. Schwäbische Albmarathon
18. Oktober 2003

Winfried ist schuld! Der schickte im Sommer ne mail, er startet in Gmünd beim Albmarathon über 50 km, er hat nen Freistart, weil letztes Jahr verletzt, wäre das nicht auch was  für mich?

Oh doch, das wäre was für mich!! Erst will ich auch die ganze Strecke, doch drei Wochen vor dem Herbsthöhepunkt? Ich lasse mich eines Besseren belehren, 25,6 km mit ordentlich Höhenmetern wird auch angeboten, das sollte verträglich sein und doch als langer Lauf gelten. Also anmelden.

In drsl läuft gerade eine Diskussion über Maltodextrin, das inspiriert mich, mit selbstgekochter Verpflegung habe ich ja im Mai beste Erfahrungen gemacht („ein Pokal, ein Pokal“ ;-) ) oooch, da nütze ich den Lauf doch gleich, zu üben, wie man Eigenverpflegung abgibt und wieder findet.

Und so übernachtet Winfried bei uns und ich koche morgens Tee und wiege und rühre Maltodextrin und Fruktose und eine Stunde vor dem Start sind vier Flaschen und Winfried und ich in Gmünd. Es ist s**kalt, 2° vielleicht? Ich lasse die Weste im Auto, ich laufe heute mit Jacke. Mit Handschuhen sowieso. Winfried im kurzärmligen Shirt macht mich schaudern, na der wettkämpft heute ja aber auch.

Innerhalb von 60 Sekunden haben wir unsere Startnummern, zwei Minuten später habe ich drei meiner Flaschen in den markierten Kartons für die Verpflegungsposten verstaut. Nur für km 10 gibt es keinen Karton, das ist nicht vorgesehen, die vierte Flasche nehme ich also mit, das bei Aldi erstandene „UltraTäschle“ hab ich eh dabei.

1000 Läufer werden erwartet, der Start um 10:30 Uhr erfolgt trotzdem ohne grosse Verzögerung. „Tschüss, Winfried, bis nachher!“ Ich laufe gaaaanz langsam los, äh, 6:24, zu schnell, ich laufe noch langsamer, 5:56 =8-), echt? Nächster km in 7:23... Mein Vertrauen in die Markierungen sinkt, denn noch geht’s recht eben zu. Irgendwie nach Gefühl laufe ich weiter, die Zeit und die Distanz vergehen wie im Flug. Am ersten Verpflegungsposten genehmige ich mir einen Becher Wasser. Es sind Pappbecher, ich laufe langsam, und doch - ich VERSCHLUCKE mich! Den nächsten Verpflegungsposten laufe ich durch und genehmige mir einige grossen Schlucke aus meiner mitgeführten Teeflasche. Dadurch laufe ich plötzlich mit ganz anderen Leuten.

Einer spricht mich gleich an. Es ist wie früher in der Disko. „Bist du zum ersten mal hier?“ Ja? Er erzählt, dass er letztes Jahr, und auch früher schon. Und ganz früher, als die ganze Strecke noch 44 km war. „Ich heisse Giselher! Wie heisst du?“ geht es weiter.  „Ute!?“ Mein neuer Bekannter strahlt. Wir sind praktisch verwandt! Sind nicht die Könige Gunther, Giselher und  Gernot die Söhne von Nibelungenmutter Ute? Na klasse, also auf mein Prinz, laufen wir ein Stück zusammen!

Giselher, das ist so einer, wenn man dessen Bekanntschaft gemacht hat, hat man einen äh Freund für’s Leben =8-). Glücklicherweise ist er im reden ausdauernder als im laufen und ich entwische meinem „Sohn“ (10 Jahre älter als ich??) langsam aber sicher. Nicht ohne Kommentare. Angesichts meiner Flasche „Ute, ist das ein Zaubertrank?“ „Klar, machst du sowas etwa nuur mit Training?“

Verpflegungsstation Nummer 3. Jetzt wird es spannend. Werde ich meine Flasche finden? Werde ich sie schnell finden? Es ist total ernüchternd.  Ich finde das Ding sofort. Denn da steht nur noch eine... ;-)

Die erste echte Schikane naht. Aufstieg auf den Hohenstaufen. Es wird richtig steil. Jetzt ist gehen angesagt. Ich schlüpfe aus meiner Jacke. Und ich überhole. Mindestens 15 Leute auf dem letzten km zum Gipfel. Ach nein, die haben doch alle ganz am Anfang mich überholt! Oben wird eine Gruppe von Bäumen umrundet, ein Blick über’s weite Land und schon geht es wieder hinunter, teilweise auf demselben Weg. „Ute, hast du abgekürzt?“ erschallt es aus den bergauf strebenden Läufern. Giselher!

Verpflegungsstation Nummer 4. Und wieder nur noch eine Flasche Eigenverpflegung...

Bei km 20 überhole ich Bernd Seitz, sofort und eindeutig zu identifizieren an Pferdeschwänzchen (mit Haarspange, wie exotisch) sowie Sandalen mit „ohne Socken“. Im Vorbeilaufen stelle ich fest, sogar seine Tights tragen den Schriftzug „Teva“. 

Die Strecke führt jetzt wunderschön über einen Bergrücken. Sonnenschein, Sicht auf’s Filstal zur rechten, auf’s Remstal zur linken. Vor uns der Rechberg. Nur noch stark 5 km. Ich vergesse die Geschichte mit dem Trainingslauf und laufe, wie’s mir passt.

Fahrradbegleitung ist offiziell verboten, trotzdem schlängelt sich immer wieder der eine oder andere Radler durch. Einer unterhält sich eine ganze Zeit mit dem Läufer hinter mir. Dass er verletzungsbedingt zur Zeit leider nur radelt. Irgendwann wird er schneller, überholt dann auch mich. Und dann sagt er zu mir “Klasse Laufstil, sehr schön!” Uiii, wenn das der Herr Bremer hören könnte! Ich wachse 5 cm und laufe noch schöner! ;-)

Gar nicht mehr weit, schon sind wir im Ort Rechberg. Jetzt noch 600 m knackig hinauf, wieder mal Stechschritt. Ich beschliesse, dass ein Puls von 177 keineswegs den Zwecken eines langen Laufs zuwider läuft und überhole wen ich kann. Oben das Ziel für die 25,6 km, höchst unspektakulär, halt rechts raus. Natürlich steht auch DA bei der Eigenverpflegung nur noch... ;-)

2:53:52, ja prima, das ist ja ein Schnitt von 6:47 ))

Von Rechberg aus fährt uns halbe Portionen alle 10 Minuten ein Bus zurück nach Gmünd. Giselher ist zwar 10 Minuten langsamer als ich, aber selbstverständlich schafft er es in den gleichen Bus. Seine Einladung, mit ihm anschliessend noch ein Bier zu leeren, lehne ich dankend ab!

In Gmünd gibt es stattdessen eine heisse Dusche für mich und dann begebe ich mich auch schon ans Ziel. Dort ist’s kurzweilig. Nach 4:25 erscheint der tragische Zweite vom Waldhessenlauf, Wolfgang Uttendorfer. Ob der so recht zufrieden ist?? Später noch einer, den ich erkenne, Ralf Klink. Von Roland Blumensaat höre ich kurz vor fünf Stunden nur den Namen und dann bringe ich die Kamera in Anschlag, um nach 5:05 Winfried, den frischgebackenen Ultra im Bilde festzuhalten.
 
  © 2005 · Ute Pfaff · Emailemail senden